Als gemeinsames öffentlich-rechtliches Wissens- und Kulturangebot von ZDF, ORF, SRG und ARD ist 3sat in Zeiten der Verunsicherung und Spaltung noch wichtiger geworden. Im Mittelpunkt des diesjährigen 3sat-Gremientreffens in Berlin stand daher die Frage, wie es gelingen kann, den Mehrwert von 3sat auch künftig fest in der deutschsprachigen Fernsehlandschaft zu verankern.
Die Gremienspitzen von ARD, ZDF, ORF und SRG sind sich einig, dass 3sat nicht zu schwächen, sondern zu stärken ist. "Ohne 3sat fehlt ein wichtiger kulturpolitischer Baustein im DACH-Raum. Es ist daher wichtig, dass hier auch künftig möglichst alle Ausspielwege weiter genutzt werden und sich gegenseitig verstärken können", fasst Engelbert Günster, Vorsitzender der ARD- Gremienvorsitzendenkonferenz, zusammen.
Mehrwert durch ergänzende non-lineare Angebote und zielgenaue Exklusivproduktionen
Im vergangenen Jahr sind längerfristige Tendenzen auf dem Fernsehmarkt besonders deutlich geworden, wie die aktuelle Studie ARD/ZDF- Massenkommunikations-Trends 2023 zeigt: lineares Fernsehen bleibt zwar an der Spitze der Bewegtbildnutzung, aber vor allem bei jüngeren Zielgruppen macht sich ein deutlicher Rückgang bemerkbar. 3sat reagiert auf diese Entwicklung und treibt den Transfer der linearen TV-Marke in non- lineare Nutzungsräume voran.
"3sat ist ein echtes Juwel mit Alleinstellungsmerkmal. Denn nirgendwo sonst findet Wissenschafts- und Kulturkommunikation für den gemeinsamen Sprach- und Kulturraum so umfangreich statt. Wir begrüßen den eingeschlagenen Weg zu einer stärkeren Präsenz im non-linearen Bereich und werden ihn konstruktiv begleiten", erklärt Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende ZDF-Fernsehrat.
Mit Blick auf die Angebote von 3sat kritisiert Professor Martin Andree, Professor für Medienwissenschaft und Digitale Medien an der Universität zu Köln, das Monopol großer Digital-Konzerne bei gleichzeitiger Reduktion kultureller Inhalte im öffentlich- rechtlichen Rundfunk: "Aus dem 3. Medienänderungsstaatsvertrag ergibt sich doch die zentrale demokratische Bedeutung der Kulturvermittlung. Die Angebote von 3sat sind also von enormer Bedeutung für unsere Gesellschaft. Programmvielfalt und -qualität müssen daher durch eine ausreichende Finanzierung sichergestellt werden."
Länder- und generationenübergreifende Teilhabe an Wissen und Kultur
Elena Kountidou, Gründerin Neue Deutsche Medienmacher*innen e.V., weist in ihrem Vortrag darauf hin, dass sich viele Menschen Kulturangebote nicht mehr leisten können und diese für private Fernsehsender häufig nicht profitabel genug sind. "Wer, wenn nicht der öffentlich-rechtliche Rundfunk, kann diese Kulturvermittlung zu einem angemessenen Preis übernehmen?", fragt sie das Publikum. Auch eine stärkere Verknüpfung linearer und non-linearer Inhalte könnte ihrer Ansicht nach dabei helfen, insbesondere die digital-affine jüngere Zielgruppe anzusprechen und eine Alternative zu radikalisierenden Social-Media-Debatten zu bieten. Insgesamt müsse es darum gehen, mit dem kulturellen Angebot von 3sat in Zeiten von Unsicherheit und Schnelllebigkeit "ein Refugium für Herz, Geist und Seele" zu bieten.
Andreas Häuptli, Präsident SRG Deutschschweiz, bestätigt insbesondere mit Blick auf den Schweizer Markt: "Gerade Museen, Theater und Konzerte profitieren von der 3sat-Berichterstattung über kulturelle Institutionen. Ein Wegfall oder eine Schwächung dieses Angebots würde die internationale Sichtbarkeit des Schweizerischen Kulturschaffens deutlich schmälern."
Vor diesem Hintergrund setzt sich auch Walter Marschitz, Vorsitzender ORF-Publikumsrat, für die Förderung des politischen Diskurses in Europa ein, der durch das länderübergreifende Kulturprogramm gefördert wird: "3sat bietet uns nicht nur eine unverzichtbare Bühne für Kunst und Kultur - es ermöglicht auch eine Plattform für kritische Debatten."
Zukunftsweisende Ansätze zur Wissens- und Kulturvermittlung an jüngere Zielgruppen
Um in Zeiten von künstlicher Intelligenz und Falschnachrichten sicherzustellen, dass auch künftige Generationen in einer informierten demokratischen Öffentlichkeit leben, hält Bildungsforscher Professor Kai Maaz eine angemessene Vielfalt an Bildungsprogrammen für unerlässlich. "Die Gesellschaft wird vielfältiger, die Rahmenbedingungen des Lernens und Erfahrens ändern sich in einer noch nie dagewesenen Art und Geschwindigkeit. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, sind auch im Kultursektor nicht nur eine hinreichende Programmvielfalt erforderlich, sondern ebenso Kontinuität und Flexibilität in den Programminhalten und -darbietungen eine wichtige Gelingensbedingung", so der Geschäftsführende Direktor des DIPF.
Zu einer ähnlichen Perspektive kommt auch Kulturanthropologe Professor Gunther Hirschfelder, der die zeitgemäße Kulturvermittlung mit der Entwicklung von Ernährungstrends vergleicht. Für 3sat in Deutschland, der Schweiz und Österreich wünscht er sich eine Abkehr vom Traditionellen hin zur Erfüllung moderner Nutzerbedürfnisse: "Haxe, Rösti und Palatschinken war gestern, und 3sat in Zukunft, das ist street food und detox, Sushi und Bowl - und vor allem lecker."
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